D: Änderung des Personenstandsgesetzes

Gepostet am Nov 9, 2017

Das deutsche Bundesverfassungsgericht setzt mit einer historischen Entscheidung einen wichtigen Schritt, um die rechtliche Existenz von intergeschlechtlichen Menschen abzusichern. Selbstvertretungsorganisationen begrüßen dies. Eine schöne Art den heutigen internationalen Intersex Solidarity Day zu würdigen!

Seit 2013 sieht das deutsche Personenstandsgesetz vor, dass bei Kindern, die bei der Geburt weder dem männlichen noch dem weiblichen Geschlecht zugeordnet werden können, der Geschlechtseintrag im Personenstandsregister offen zu bleiben hat. Diese Regelung wurde von Selbstvertretungsorganisationen aufgrund eines potentiellen Zwangsoutings von intergeschlechtlichen Kindern stark kritisiert. Eine Person hat sich, unterstützt von der Kampagne „DRITTE OPTION“ gegen diese Nicht-Eintragung ihres Geschlechts an die zuständigen Instanzen gewandt. „Es ist höchste Zeit, die Rechte jeder Person anzuerkennen,  die sich nicht ausschließlich männlich oder weiblich identifiziert, unabhängig von ihren Geschlechtsmerkmalen“, so Tobias Humer, Obmensch des Vereins intergeschlechtlicher Menschen Österreich (VIMÖ). „Wenn überhaupt, sollte ein Geschlechtseintrag nur freiwillig sein und auf der Selbstbestimmung der jeweiligen Person beruhen.“

Die Menschenrechtsinitiativen VIMÖ, Plattform Intersex Österreich und HOSI Salzburg begrüßen den heutigen Beschluss des deutschen Bundesverfassungsgerichtshof (1 BvR 2019/16). Darin stellt das Höchstgericht fest, dass die momentan in Deutschland bestehende „Nicht-Eintragung“ intergeschlechtlicher Menschen in das Personenstandsregister verfassungswidrig ist. Die Behörden haben diese Regelung ab sofort nicht mehr anzuwenden. Der deutsche Gesetzgeber hat bis 31.12.2018 eine rechtliche Lösung zu finden. Zwei Möglichkeiten kommen dabei in Frage: Entweder der generelle Verzicht auf einen personenstandsrechtlichen Geschlechtseintrag oder die Schaffung eines weiteren Personenstands wie zum Beispiel „inter“ oder „divers“. Beide Optionen stellen einen Fortschritt gegenüber der geltenden Gesetzgebung dar.

„Ich freue mich über diese bahnbrechende Entscheidung, endlich werden intergeschlechtliche Menschen rechtlich wahrgenommen! Dieser Beschluss kann auch in Österreich nicht ignoriert werden! Nun ist der österreichische Verfassungsgerichtshof am Zug“ so Eva Matt, Juristin der Plattform Intersex Österreich.
„Die Entscheidung kann auch für Österreich wegweisend sein“, so der Intersex-Aktivist Alex Jürgen, der gerade versucht über den Rechtsweg eine Änderung seines Personenstands zu erkämpfen. „Gratulation an DRITTE OPTION! Endlich findet Intergeschlechtlichkeit auch vor dem Gesetz in Deutschland Anerkennung. Möge Österreich sich nicht länger zieren und meine Pass- und Geburtsurkunde-Fälle ebenso positiv entscheiden.“

„Intergeschlechtliche Menschen werden auch 2017 von der Medizin, dem Gesetz und der Gesellschaft vereinnahmt und fremdbestimmt: Wir sprechen uns klar gegen geschlechtsnormierende Eingriffe an intergeschlechtlichen Körpern aus! Eine dritte Option würde der Thematik helfen, aus der Tabuisierung zu treten und Realität anzuerkennen“, betont Gabriele Rothuber, Intersex-Beauftragte der HOSI Salzburg, abschließend.

Plattform Intersex Österreich
www.plattform-intersex.at
ZVR-Nr.: 755768251

Verein intergeschlechtlicher Menschen Österreich
www.vimoe.at
ZVR-Nr.: 765342502

Rückfragehinweis:
Paul Haller, +43 699 12846133, paul.haller@plattform-intersex.at

Dies ist eine gemeinsame Presse-Aussendung der Plattform Intersex Österreich, des Vereins intergeschlechtlicher Menschen Österreich (VIMÖ) und der HOSI Salzburg.